Publius Vergilius Maro, Aeneis. Buch II, Teil 3
Publius Vergilius Maro,
Aeneis. Liber secundus
(lateinischer Text
hier)
(Fortsetzung)
Zuerst zeigt sich uns von den Danaern Androgeos, während er
von einer großen Schar begleitet wird, und, unwissend an verbündete Heereszüge
glaubend, ruft er mit befreundeten Worten herüber: „Beeilt euch, Männer! Denn
was verweilt ihr in später Trägheit? Die anderen rauben und plündern das
brennende Pergamon: Ihr geht jetzt zuerst von den hochragenden Schiffen?“ Das
sagte er und augenblicklich (sie gaben nämlich nicht genug zuverlässige
Antworten) bemerkte er, dass er mitten in die Feinde gefallen war. Und er
erstarrte mit der Stimme und drängte den Fuß zurück. Wie wer im rauen
Dornstrauch eine unvorhergesehene Schlange drückt, sich auf dem Boden stützend
und unruhig kriechend zurückweicht, die den Zorn aufrichtend und den blauen Hals
anschwillt, nicht anders ging Androgeos erschüttert weg bei dem Anblick. Und wir
stürzen hinein dicht umgeben mit Waffen, und strecken die des Ortes Unkundigen
und von Furcht Erfassten weit und breit nieder; das Glück ist hold für die erste
Mühe. Und hier sagte Coroebus mit dem Erfolg und Mut jubelnd: „O Gefährten, dem
Weg zum Heil lasst uns folgen, durch das Geschick zuerst gezeigt und durch das
er sich als glückbringend erweist: Lasst uns die Rundschilder wechseln und uns
den Kennzeichen der Danaer anpassen. List oder Tapferkeit, wer bei den Feinden
prüft es? Sie gaben selbst die Waffen.“ So sprach er und dann legt er den mit
Haaren versehenen Lederhelm des Androgeos und das Kennzeichen der Schönheit des
Schildes an und passt das argivische Langschwert an die Seite. Dies machen
Rhipeus, selbst Dymas und alle Jünglinge fröhlich: Jeder bewaffnet sich mit der
neuen Rüstung. Wir gehen gemischt mit den Griechen, nicht mit dem Schutz unserer
Götter, und zusammengekommen reihen wir viele Kämpfe aneinander in der dunklen
Nacht, viele der Danaer lassen wir zum Orkus hinab. Andere entschwinden zu den
Schiffen und streben zum zuverlässigen Ufer; ein Teil steigt mit schändlicher
Furcht rückwärts in das ungeheure Pferd und versteckt sich im bekannten Bauch.
Ach, kein Schicksal vertraute irgendetwas den widerwilligen
Göttern! Siehe, da wird am ausgebreiteten Haar die Jungfrau Kassandra, gezogen
vom Tempel und den Altären der Minerva, die brennenden Augen vergeblich zum
Himmel gewendet, die Augen, denn die Fesseln halten die zarten Hände. Coroebus
trug dieses Aussehen nicht und nachdem der Verstand in Raserei gesetzt wurde,
warf er sich im Begriff zugrunde zu gehen mitten in den Heereszug; wir alle
folgen und laufen in das dichte Kriegsgerät. Hier werden wir zuerst überschüttet
von dem hohen Dach des Tempels Geschosse der unseren und es erhebt sich ein sehr
unglückliches Gemetzel durch das Aussehen der griechischen Waffen und den Irrtum
der Mähnen. Dann mit Stöhnen und durch Zorn über die entrissene Jungfrau greifen
die ringsum gesammelten Griechen an. Am heftigsten Aiax und die Atridenzwillinge
und alle Heerscharen der Doloper: Wie manchmal, nachdem ein Wirbel ausgebrochen
ist, die entgegengesetzten Winde zusammenstoßen, der Westwind und der Südwind
und der durch die morgendlichen Pferde fröhliche Ostwind; die Wälder zischen und
Nereus wütet schäumend mit dem Dreizack und bewegt das Meer von tiefem Grund
aus. Jene auch, wenn wir irgendwelche in dunkler Nacht durch die Dunkelheit mit
List niedergestreckt haben und durch die ganze Stadt getrieben haben, zeigen
sich; die Ersten erkennen die Rundschilde und lügenden Waffen und bemerken die
hinsichtlich des Klanges uneinigen Münder. Sogleich werden wir von einer Schar
überschüttet und Coroebus fällt als erster durch den rechten Arm des Peneleos am
Altar der waffenmächtigen Göttin; auch Rhipeus fällt, der Allergerechteste, der
bei den Teukrern war und der am meisten bewahrte die Gerechtigkeit (den Göttern
erschien es anders); sowohl Hypanis als auch Dymas gehen von Kameraden
durchbohrt zugrunde; weder deine zahlreiche Frömmigkeit, Panthos, noch die Binde
Apollos schützten dich, während du fielst. Illions Asche und die äußerste Flamme
der meinen, ich rufe euch als Zeugen, dass ich bei eurem Untergang weder die
Geschosse noch irgendwelche Wechselfälle vermieden habe und, wenn es das
Schicksal gewesen wäre, zu sterben, ich es durch die Hand der Danaer verdient
habe. Wir wurden von dort auseinander gerissen, Iphitus und Pelias mit mir (von
denen Iphitus durch das Alter schon schwer, Pelias auch langsam durch die Wunde
des Odysseus), mit Geschrei gerufen vorwärts zum Sitz des Priamus. Hier aber
sehen wir einen ungeheuerlichen Kampf, als ob nirgends andere Kriege seien, als
ob keiner in der ganzen Stadt sterben würde, so sehen wir den ungezähmten Mars
und die Danaer bei den eingestürzten Dächern und die mit einem betriebenen
Schilddach belagerte Schwelle. Eine Leiter hängt an den Wänden und sie stützen
sich auf den Stufen von unten bis zur Tür selbst, sie halten beschützt die
Schilde mit der Linken gegen die Waffen, sie ergreifen die Dächer mit den
rechten Händen. Die Dardaniden hingegen reißen die Türme nieder und die höchsten
Stellen der Häuser; durch diese Geschosse, wann sie das Außerste sehen, sind sie
bereit, sich schon am äußersten Tode zu verteidigen und die vergoldeten Balken,
den hohen Schmuck der alten Ahnen, wälzen sie herab; andere besetzen mit
gezückten Schwertern und bewahren mit dichter Schlachtreihe diese Tür. Die
Gemüter wurden wiederaufgerichtet, den Dächern des Königs zu Hilfe zu eilen und
den Männern Hilfe zu bringen und den Besiegten Kraft zu geben.
Es gab eine Schwelle und eine geheime Tür und einen
gangbaren Durchgang zwischen den Dächern des Priamos, und die Pfosten sind schon
vom Rücken zurückgelassen, durch die sich die unglückliche Andromache, während
das Reich noch bestand, häufiger unbegleitet zu tragen pflegte zu den Gefährten
und zum Großvater den Jungen Astyanax zog. Ich gehe heraus zum Giebel des
höchsten Punktes, woher die armen Teukrer Geschosse mit ungültiger Hand warfen.
Den abschüssig stehenden Turm, der unter den Sternen von den höchsten Dächern
herausgeführt ist, woher man gewohnt war ganz Troja und die Schiffe der Danaer
und das Achaierlager zu sehen, griffen wir ringsum mit Eisen an, wo die höchsten
Gerüste wankende Verbindungen gaben, erschüttern wir und bewegen ihn aus dem
hohen Sitz; dieser vollzieht hinabgleitend plötzlich mit einem Knall den Sturz
und gerät überdies weit in die Heereszüge der Danaer. Dann gehen andere heran
und weder Felsen noch irgendeine Art Geschoss zögern inzwischen. Vor dem Flur
selbst und zuerst auf der Schwelle jubelt der schimmernde Pyrrhus im Licht mit
Waffen aus Bronze: So wie die kleine Schlange, sobald sie genährt von bösem Gras
im Licht ist, unter der kalten Erde anschwellend, am kürzesten Tag bedeckt war,
jetzt, mit abgezogener Haut die neue, nette Jugend, den schlüpfrigen Rücken
zusammenrollt und sich mit dem Leib steil zur Sonne erhebt und mit der
dreispitzigen Zunge im Gesicht zuckt. Zusammen rücken der ungeheure Periphas und
der Lenker der Pferde des Achilles, der bewaffnete Automedon, zusammen rücken
alle Männer des Skyros an das Haus und schleudern Flammen auf den höchsten
Punkt. Unter den ersten selbst durchbricht er mit der ergriffenen Doppelaxt die
harte Schwelle und bricht die ehernen Pfosten von der Türangel; und schon hat er
die harten Eichenstämme durch einen herabgefallenen langen Balken ausgehöhlt und
durch die weite Wand geht ein ungeheures Fenster. Das Haus ist von drinnen
eröffnet und die lange Halle öffnet sich; sie öffnen das Innere des alten
Königspalastes des Priamos und sehen zuerst die Bewaffneten, die auf der
Schwelle standen. Aber das innere Haus wird gemischt mit armem Seufzen und Lärm,
tief hinein heulen die umhüllenden Häuser mit weiblichem Wehklagen; es schlägt
Geschrei zu den goldenen Sternbildern. Dann irren zitternde Mütter durch das
ungeheure Haus und halten die Pfosten umarmend und heften ihnen Küsse an.
Pyrrhos dringt herein mit väterlicher Kraft; weder die Riegel noch die Wächter
selbst vermögen standzuhalten; die Tür wankt durch den häufigen Widder und aus
der Türangel herausgeschafft werfen sich die Pfosten nieder. Durch Kraft
entsteht der Weg; die Griechen brechen den Zugang und schlachten hineingeschickt
die ersten ab und füllen weithin den Raum mit Soldaten. So wich nicht der
schäumende Strom aus, nachdem die Dämme zerbrochen wurden und er besiegte mit
dem Strudel die dagegen gesetzte Masse, und der Wütende wird wie mit einem
Schwall in das Ackerland getragen und zieht durch die Felder das ganze Vieh mit
den Ställen fort.
Ich selbst sah den mit Mord rasenden Neoptolemos und die
Zwillings-Atriden auf der Schwelle, ich sah Hecuba und hundert Schwiegertöchter
und Priamus durch die mit Blut verunstalteten Altäre, die er selbst mit Feuer
geweiht hatte. Jene fünfzig Gemächer, die so große Hoffnung auf die Enkel, die
Pfosten mit fremdem Gold und stolzer Beute lagen hingestreckt; die Danaer
halten, wo das Feuer fehlt.
Vielleicht verlangst du auch, was die Schicksale des
Priamus gewesen waren. Er sah den Fall der eroberten Stadt und die
niedergerissenen Schwellen des Hauses und den Feind in der inneren Mitte, der
Alte legte lange mit zitterndem Alter die entwöhnten Waffen vergeblich um die
Schultern und gürtete das nutzlose Schwert, und stürzt todgeweiht in die Dichte
der Feinde. Mitten im Tempel und unter der freien Achse des Äthers war ein
ungeheurer Altar und sehr alt daneben ein sich auf den Altar legender
Lorbeerbaum und auch ein die Penaten umschlingender Schatten. Hier saßen Hecuba
und die Töchter vergeblich um den Altar, so wie abstürzende Tauben bei
grauenvollem Unwetter, dicht gedrängt und die Götterabbilder umarmend. Wie sie
jedoch Priamus selbst sah, nachdem er die jugendlichen Waffen angelegt hatte,
sagte sie: „Welcher so unglückverkündende Gedanke, ärmster Ehegatte,
veranlasste, dich mit diesen Waffen zu umgürten? Oder wohin stürzt du? Die Zeit
braucht nicht solche Hilfe und nicht solche Verteidiger; nicht, wenn selbst mein
Hector jetzt hier wäre. Tritt endlich her; dieser Altar wird alle beschützen,
oder du wirst zugleich sterben.“ Mit dem Mund so sagend zog sie den Hochbetagten
zu sich und setzte ihn an den heiligen Sitz.
Siehe jedoch da flieht Polites, einer der Söhne des Priamus,
entkommen dem Gemetzel des Pyrrhus, durch Waffen, durch Feinde durch die langen
Hallen und durchwandert verwundet die leeren Hallen. Pyrrhus verfolgt jenen
durch die feindliche Wunde brennenden, und jeden Augenblick hält er ihn mit der
Hand und bedrängt ihn mit der Lanze. Sobald er entronnen war vor die Augen und
Gesichter der Eltern, fiel er um und vergoss mit viel Blut das Leben. Hier hielt
sich Priamus, obwohl er sich schon in der Mitte des Todes befindet, dennoch
nicht zurück und schonte nicht die Stimme und den Zorn: „Die Götter mögen dir
für das Verbrechen“, schrie er, „für solche Wagnisse, wenn es im Himmel
irgendeine Frömmigkeit gibt, die sich um solches kümmert, würdigen Dank
verleihen und verdienten Lohn geben. Der du gemacht hast, dass ich den Tod des
Sohnes genau sehe und das väterliche Gesicht durch das Leichenbegängnis
verunstaltet hast. Und nicht war jener Achill, von dem du abzustammen vorgibst,
dem Feind Priamos so beschaffen; sondern er errötete um Recht und Vertrauen
demütig bittend und den blutlosen Körper des Hectors gab er mir für das Grab und
schickte mich in mein Reich zurück.“ So gesprochen warf der Greis das
unkriegerische Geschoss und ohne zu treffen, das vorwärts durch das heisere Erz
zurückgetrieben wurde und vergeblich vom höchsten Schildbuckel des Schildes
herabhing. Dieser Pyrrhus sagte: „Du wirst also dies dem Erzeuger des Peliden
berichten und als Bote gehen. Denke daran, jenem von meinen traurigen Taten und
vom entarteten Neoptolemos zu erzählen. Jetzt stirb.“ Dies sagend zog er den
Zitternden und in viel vergossenem Blut Ausgleitenden zum Brandaltar selbst, und
wickelte das Haar mit der Linken, und hob mit der Rechten das schimmernde
Schwert und stieß es mit einem Handgriff genau in die Seite. Dies war das Ende
der Schicksale des Priamos, hier brachte er jenem den Tod mit dem Geschick, dass
er das entzündete Troja und das stürzende Pergamon sah, der einst so stolzer
Herrscher viele Völker und Länder Asiens war. Ein riesiger Rumpf liegt an der
Küste und abgerissen der Kopf von den Schultern und ohne Namen der Körper.
Mich jedoch umrang dann zuerst ein wilder Schauer. Ich
erstarrte; ein Abbild des geliebten Vaters kam hervor, sobald ich den
gleichaltrigen König mit der grausamen Wunde das Leben aushauchend sah, die
verlassene Creusa kam hervor und sowohl das geplünderte Haus als auch der Fall
des kleinen Iulius. Ich schaue zurück und mustere die Truppen, die um mich herum
sind. Alle haben sie erschöpft mich verlassen und die Körper im Waldtal auf die
Erde gesetzt oder mit Feuer die Kranken versehen.
weiter...