Sallust - De coniuratione Catalinae
Gaius Sallustius Crispus,
De coniuratione Catilinae (1-15)
(lateinischer Text
hier)
[01] Alle Menschen, die sich darum bemühen, den übrigen Lebewesen
voranzustehen, sollten sich mit höchster Kraft anstrengen, dass sie ihr Leben
nicht mit Schweigen verbringen, wie die Tiere, die von Natur aus vorwärts
geneigt und dem Bauch folgsam geschaffen sind. All unsere Kraft aber ist im
Geist und im Körper gelegen: Wir nutzen eher die Herrschaft des Geistes und die
Dienerschaft des Körpers; das eine ist uns gemeinsam mit den Göttern, das andere
mit den Tieren. Dadurch scheint es mir richtiger zu sein, mit dem Geistigen als
mit den Körperkräften nach Ruhm zu suchen und, weil ja das Leben selbst kurz
ist, welches wir genießen, eine möglichst lange Erinnerung der Unseren bewirken;
denn der Ruhm des Reichtums und der Schönheit vergänglich und zerbrechlich,
Tapferkeit wird für berühmt und ewig gehalten.
Aber lange gab es einen großen Streit unter den Sterblichen, ob die militärische
Angelegenheit eher den Verdienst des Körpers oder des Geistes voranbringt. Denn
es ist sowohl, bevor man beginnt, ein Plan, als auch, sobald er beschlossen
worden sein wird, eine taugliche Handlung nötig. So sind beide für sich
bedürftig und das eine braucht die Hilfe des anderen.
[02] Also schulten am Anfang die verschiedenen Könige – denn das war auf der
Erde am Anfang der Name der Herrscher – ein Teil den Geist, die anderen den
Körper. Auch wurde damals das Leben der Menschen ohne Begierde betrieben; jedem
gefiel sein eigenes genug. Später aber, als in Asien Kyros, in Griechenland die
Spartaner und Athener begannen, Städte und Völker zu unterwerfen, Begierde des
Herrschens für einen Kriegsgrund zu halten und den größten Ruhm in der größten
Macht zu glauben, da wurde schließlich durch die Gefahr und die Aufgaben
bekannt, dass die geistigen Fähigkeiten im Krieg am meisten können. Wenn die
geistige Tugend der Könige und Feldherren im Frieden so stark wie im Krieg wäre,
würden die menschlichen Angelegenheiten sich gerechter und beständiger verhalten
und man sähe weder, dass das eine dem anderen gebracht werde, noch dass sich
alles verändert und vermischt. Denn die Herrschaft wird leicht mit diesen
Künsten erhalten, mit denen sie zu Beginn erzeugt wurde; sobald aber Untätigkeit
für Anstrengung, Begierde und Übermut für Selbstbeherrschung und Gelassenheit
eingedrungen sind, verändert sich das Schicksal zugleich mit den Sitten. So wird
die Herrschaft immer vom weniger Guten auf den Besten übertragen.
Alles, was die Menschen pflügen, besegeln und bauen, verdanken sie der Tugend.
Aber viele Sterbliche, dem Bauch und Schlaf ergeben, durchschreiten das Leben
ungebildet und unkultiviert wie Reisende; diesen dient tatsächlich gegen die
Natur der Körper der Lust, der Geist dient der Last. Ich schätze das Leben derer
gleich dem Tode ein, da über beides geschwiegen wird. Denn wirklich scheint mir
aber derjenige schließlich zu leben und das Leben zu genießen, der mit
irgendeiner Aufgabe beschäftigt den Ruhm der hochberühmten Tat oder die Güter
der Künste sucht.
Aber in der großen Menge der Dinge zeigte die Natur jedem einen anderen Weg.
[03] Es ist schön, für den Staat gut zu handeln, es ist auch nicht schlecht, gut
zu reden; es ist erlaubt, entweder im Frieden oder im Krieg berühmt zu werden;
sowohl diejenigen, die Gutes getan haben als auch die, die die Taten anderer
aufgeschrieben haben, werden sehr gelobt. Und mir erscheint es, obwohl der
gleiche Ruhm keineswegs dem Schriftsteller und dem Urheber der Dinge folgt,
besonders schwierig, Taten zu beschreiben: Zuerst muss das Gesagte, was gemacht
worden ist, gleichgesetzt werden, von hier aus, weil die meisten glauben, dass
man genannte Vergehen aus Böswilligkeit oder Neid tadelt, sobald man die große
Tugend und den Ruhm der Guten erwähnt, glaubt jeder dies für sich selbst leicht
zu tun, nimmt es mit Gelassenheit und führt über dieses hinaus wie Erdachtes für
Falsches.
Zu Beginn als ich ein junger Mann war, ging ich, so wie die meisten, mit Eifer
in die Politik, dort gab es aber viele gegen mich gerichtete Dinge. Denn an
Stelle von Scham, Genügsamkeit und Tugend waren Frechheit, Bestechlichkeit und
Habgier vorherrschend. Obgleich der Geist diese Dinge abwehrte, weil ich diese
üblen Künste nicht gewohnt war, wurde dennoch das schwache Alter zwischen so
großen Mängeln mit einem verdorbenen Ehrgeiz festgehalten; und mich, der ich mit
den schlechten Sitten der Übrigen nicht übereinstimmte, quälte
nichtsdestoweniger derselbe Wunsch nach Ehre wie die Übrigen der Ruf und der
Neid.
[04] Sobald sich also der Geist von den vielen Übeln und Gefahren ausruhte und
ich mich entschied, das übrige Leben fern vom Staatsdienst zu verbringen, war es
nicht der Entschluss, die gute Mußezeit mit Geistesschwäche und Untätigkeit zu
vergeuden und freilich nicht mit Ackerbau und Jagd, mit Aufgaben für Sklaven
eifrig die Zeit zu verbringen; sondern beschloss ich, zu demselben Vorhaben und
Eifer, von dem mich der schlechte Ehrgeiz abgehalten hat, zurückzukehren, die
Taten des Römischen Volkes stückweise, wie jede Erinnerung würdig schien, genau
niederzuschreiben, umso mehr, weil mein Geist von Hoffnung, Furcht und den
Parteien des Staates frei war.
Also will ich über die Verschwörung Catilinas möglichst wahr mit so wenigen
Worten wie ich kann vollenden; denn diese Tat halte ich für besonders denkwürdig
durch die Neuheit des Verbrechens und der Gefahr. Über den Charakter dieses
Menschen muss zuerst einiges genannt werden, bevor ich den Beginn des Erzählens
mache.
[05] Lucius Catilina, von edler Herkunft, war von großer Kraft des Geistes und
des Körpers, aber von einem schlechten und bösen Charakter. Diesem waren vom
Jugendalter an Bürgerkriege, Mode, Räubereien und Zwietracht unter den Bürgern
willkommen und darin übte er seine Jugend. Sein Körper duldete mehr Hunger,
Kälte und Wachsein als für ihn glaubwürdig ist. Der Geist war waghalsig,
hinterlistig und mannigfaltig, ein Täuscher und Verleugner dieser Sache, er
strebte Fremdes an und sein Eigenes verschwendete er, brennend in Begierden;
genug der Beredsamkeit, zu wenig der Weisheit. Der unermessliche Geist begehrte
immer das Maßlose, Unglaubliche und allzu Hohe. Nach der Herrschaft des Lucius
Sulla drang die höchste Begierde in ihn, sich des Staates zu bemächtigen und
dieses nicht mit dieser Art und Weise zu erreichen, indem er irgendetwas
abgewägt hatte, wenn er sich nur die Herrschaft bereite. Der wilde Geist wurde
von Tag zu Tag mehr und mehr angetrieben durch den Mangel an Vermögen und dem
Wissen um die Verbrechen, die er beide durch die Künste vergrößert hatte, die
ich oben schon erwähnt habe. Außerdem entflammten ihn die verdorbenen Sitten der
Bürgerschaft, die schlimmsten und untereinander verschiedenen Übel verwüsteten,
Prunksucht und Gier.
Die Sache selbst scheint dazu aufzufordern, weil die Zeit an die Sitten der
Bürgerschaft erinnerte, darüber hinaus zu wiederholen und mit wenigen Worten die
Einrichtungen der Vorfahren zu Hause und im Kriegsdienst zu erörtern, auf welche
Weise sie den Staat innehatten und einen wie großen sie zurückließen, wie er
allmählich verändert vom schönsten (und besten) zum schlechtesten und
schändlichsten gemacht worden ist.
[06] Die Stadt Rom haben, so wie ich es erfahren habe, am Anfang die Trojaner
gegründet und besessen, die unter der Führung des Aeneas flüchtig mit unsicheren
Wohnsitzen umherstreiften und mit ihnen Ureinwohner, ein Volk aus bäuerlichen
Menschen, ohne Gesetze, ohne Herrschaft, frei und ungebunden. Nachdem diese
innerhalb einer Mauer zusammengekommen waren, von verschiedener Abstammung,
unterschiedlicher Sprache und jeder nach einer anderen Sitte lebend, ist es
unglaublich zu erwähnen wie leicht sie zusammenwuchsen; so wurde in Kürze aus
der der verschiedenen und umherschweifenden Menge durch Eintracht eine
Bürgerschaft. Aber nachdem das Vermögen derer an Bürgern, Sitten und Äckern
vergrößert genug wohlhabend und genug stark schien, wie es sich bei den meisten
der Menschen verhält, entstand Neid aus dem Reichtum. Also erprobten die
benachbarten Könige und Völker sie im Krieg wenige von den Freunden kamen zur
Hilfe; denn die Übrigen blieben erschüttert aus Furcht vor den Gefahren fern.
Die Römer aber waren im Frieden und im Krieg eifrig beschäftigt, beeilten sich,
bereiteten vor, der eine ermahnte den anderen traten den Feinden entgegen und
beschützten Freiheit, Heimat und Eltern mit Waffen. Nachdem sie die Gefahren mit
Tüchtigkeit abgewendet hatten, brachten sie den Verbündeten und Freunden Hilfe
und indem sie mehr Wohltaten gaben als annahmen bereiteten sie sich
Freundschaften. Sie hatten eine rechtmäßige Herrschaft, der Name der Herrschaft
was der des Königreiches. Ausgewählte, von denen der Körper durch die Jahre
schwach, der Geist und die Weisheit stark, kümmerten sich um den Staat: diese
wurden entweder wegen des Alters oder wegen der Ähnlichkeit der Sorge Väter
genannt. Später, als sich das Königreich, dass zu Beginn zur Bewahrung der
Freiheit und zur Vergrößerung des Staates existierte, in eine hochmütige
Herrschaft umgewandelt hatte, wählten sie nach einer Veränderung der Sitte
jährlich Oberbeamte und je zwei Herrscher: Auf diese Weise glaubten sie, dass
der menschliche Geist am wenigsten durch Zügellosigkeit übermütig werden könne.
[07] Aber zu dieser Zeit begann jeder sich mehr hervorzuheben und die Begabung
mehr öffentlich zu halten. Denn den Königen sind Gute verdächtiger als Schlechte
und für diese ist die Tugend bei Anderen immer furchterregend. Aber es ist
unglaublich zu erwähnen, wie sehr die Bürgerschaft in kürze durch die erlangte
Freiheit wuchs: So eine große Begierde nach Ruhm war aufgekommen. Zuerst lernten
schon die jungen Männer, die zugleich auch kriegsfähig waren, in Lagern durch
die Arbeit und die Praxis des Militärs, und sie hatten mehr Lust an glänzenden
Waffen und Kriegspferden als an Huren und Gelagen. Also war den so beschaffenen
Männern die Arbeit nicht ungewohnt, kein Ort rauh oder steil, und der bewaffnete
Feind nicht furchterregend: Die Tugend hatte alles unterworfen. Aber der größte
Kampf nach Ruhm war unter ihnen selbst: Jeder beeilte sich den Feind zu
erschlagen, die Mauer zu erklimmen und gesehen zu werden, während er so eine Tat
gemacht hatte; dieses hielten sie für Reichtum, das für guten Ruf und große
Berühmtheit. Begierig nach Lob waren sie freigiebig mit Geld; sie wollten
ungeheuren Ruhm, Reichtum und Ehren. Ich kann mich an diesen Stellen erinnern,
wie das Römische Volk mit einer kleinen Schar eine große Truppe des Feindes
geschlagen hat, wie es von der Natur befestigte Städte durch Kämpfe einnahm,
wenn uns diese Dinge nicht zu weit vom Vorhaben abbringen würden.
[08] Aber in der Tat herrscht das Schicksal in jeder Sache; dieses erhellt und
verdunkelt alle Dinge aus einer Laune heraus mehr als aus der Wahrheit. Die
Taten der Athener, wie ich meine, waren groß und prächtig genug, aber dennoch
beträchtlich geringer als der Ruf gewesen ist. Aber weil dort ein großes Talent
der Schreiber gedieh, werden die Taten der Athener über den ganzen Erdkreis
hinweg als die größten gefeiert. So waren die derer, die so große Tugend hatten,
wie die hochberühmten Geister sie mit Worten in die Höhe heben konnten. Aber dem
Römischen Volk war niemals diese Menge, weil jeder Klügste am meisten
beschäftigt war: Niemand trainierte den Geist ohne den Körper; jeder Beste
wollte lieber handeln als reden und dass ihre eigenen Taten von anderen gut
gelobt werden als das sie selbst die Taten anderer erzählen.
[09] Also wurden zu Hause und im Krieg die guten Sitten gepflegt; Es gab sehr
große Eintracht und sehr wenig Habgier; das Recht und das Gute war bei diesen
nicht mehr durch Gesetze als durch die Natur stark. Wortwechsel, Zwietracht und
Eifersucht übten sie mit den Feinden, die Bürger kämpften mit den Bürgern über
die Tugend. Bei Götterfesten waren sie großartig, zu Hause sparsam, Freunden
gegenüber treu. Durch diese zwei Künste, durch Kühnheit im Krieg, und durch
Gerechtigkeit sobald Frieden eingetreten war, sorgten sie für sich und den
Staat. Ich habe dieses als größten Beweis dieser Dinge, dass im Krieg öfter
gegen die gerichtlich vorgegangen werden musste, die gegen den Befehl gegen den
Feind gekämpft haben und die zu langsam, obwohl sie aus der Schlacht
zurückgerufen worden sind, weggingen als diejenigen, die gewagt hatten, die
Zeichen zu verlassen oder geschlagen vom Platz zu weichen; im Frieden aber
betrieben sie die Herrschaft mit Wohltaten als mit Furcht und ein empfangenes
Unrecht wollten sie lieber verzeihen als verfolgen.
[10] Aber sobald der Staat durch Arbeit und Gerechtigkeit gewachsen war, große
Könige im Krieg bezwungen worden sind, wilde Völker und ungeheure Völker mit
Kraft unterworfen worden sind, Karthago, die Rivalin des Römischen Reiches, von
der Wurzel untergegangen war, alle Meere und Länder offen standen, begann das
Schicksal zu wüten und alles in Unordnung zu versetzen. Diejenigen, die Mühen,
Gefahren und zweifelhafte und raue Situationen leicht ertragen hatten, denen
sind Muße und Reichtum, die andere erhofften, zu Last und Unglück geworden. Also
wuchs zuerst die Gier nach Geld, danach nach Herrschaft: Das war gleichsam der
Nährstoff allen Übels. Denn die Habgier stürzte die Treue, die Rechtschaffenheit
und die übrigen guten Künste; für diese lehrten sie Hochmut, Grausamkeit, die
Götter zu vernachlässigen und alles Käufliche zu haben. Der Ehrgeiz zwang viele
Menschen falsch zu werden, das eine verschlossen im Herzen, das andere bereit
auf der Zunge zu haben, Freund- und Feindschaften nicht aus der Sache, sondern
aus dem Vorteil einzuschätzen, und mehr eine gute Miene als einen guten Geist zu
haben. Diese Dinge sind allmählich gewachsen, bisweilen wurden sie bestraft;
danach, sobald der schlechte Einfluss wie eine Pest einbrach, wurde die
Bürgerschaft verändert, die Herrschaft wurde von der gerechtesten und besten zu
einer grausamen und unerträglichen gemacht.
[11] Aber zuerst forderte mehr der Ehrgeiz als die Habgier die Herzen der
Menschen heraus, was dennoch dem Fehler näher als der Tugend war; denn Ruhm,
Ehre und Herrschaft wünschte sich der Gute und der Untätige gleichermaßen
herbei, aber jener stützte sich auf den wahren Weg, dieser, weil die guten
Fähigkeiten fehlten, kämpft mit List und Täuschungen. Die Habgier beinhaltet den
Eifer nach Geld, das der Weise niemals begehrt: Gleichwie mit einem bösen Gift
erfüllt verweichlicht es den Körper und den männlichen Geist, ist immer
grenzenlos und unersättlich und wird weder durch die Menge noch durch den Mangel
vermindert. Aber nachdem Lucius Sulla, als er den Staat mit Waffen aufgenommen
hatte, nach guten Anfängen ein böses Ende hatte, plünderten alle und schleppten
Dinge fort, der wünschte sich ein Haus, der andere einen Acker, die Sieger
hatten weder Maß noch Bescheidenheit und sie veranstalteten scheußliche und
grausame Untaten mit den Bürgern. Hier hinzu kam, dass Lucius Sulla das Heer,
das er in Asien geführt hatte, wodurch er es sich treu machen würde, gegen die
Sitten der Vorfahren üppig und allzu frei gehalten hatte. Schöne und genussvolle
Orte hatten in der Muße leicht die Herzen der wilden Soldaten erweicht: Dort
gewöhnte sich das Heer des römischen Volkes zum ersten Mal zu lieben, zu saufen,
Zeichen, gezeichnete Tafeln und mit Reliefarbeit verzierte Gefäße zu bewundern,
diese privat und öffentlich zu rauben, Tempel zu plündern und alles heilige und
ungeweihte zu besudeln. Also ließen diese Soldaten, nachdem sie den Sieg
errungen hatten, den Besiegten nichts übrig. Denn schöne Dinge ermüden die
Herzen der Weisen: nicht dass sich jene mit verdorbenen Sitten im Sieg mäßigen.
[12] Nachdem Reichtum begann zur Ehre zu gereichen und ihm Ruhm, Herrschaft und
Macht folgten, begann die Tugend zu erlahmen, Armut für eine Schande gehalten zu
werden und Unschuld für Übelwollen angeführt zu werden. Also drangen aus dem
Reichtum Luxus und Habgier mit Übermut in die Jugend ein: sie raubten,
verbrauchten, hielten das Eigene für gering, wünschten Fremdes und Anstand,
Schamhaftigkeit, Göttliches und Menschliches vermischt hatten sie für nichts
erachtet und sie mäßigten sich nicht. Es ist der Preis der Mühe, wenn du die
Häuser und Villen kennst, die im Maß von Städten erbaut worden sind, die Tempel
der Götter zu sehen, die unsere Vorfahren, die gläubigsten Sterblichen, gebaut
haben. Aber jene schmückten die Tempel der Götter mit Frömmigkeit, ihre eigenen
Häuser mit Rum und sie raubten den Besiegten nichts außer die Frechheit des
Unrechts: Aber diese hingegen, sehr untätige Menschen, nehmen durch größtes
Verbrechen alles von den Bundesgenossen, was sehr starke Männer den Siegern
zurücklassen, als ob demnach Unrecht zu tun eben das gleiche sei wie eine
Herrschaft zu nutzen.
[13] Ist denn dieses, was ich erwähne, für niemanden glaubwürdig, außer für die,
die es gesehen haben, dass von mehreren Privatleuten Berge umgestürzt worden
sind und das mehr zugeschüttet wurde? Der Reichtum schien mir für diese eine
Spielerei gewesen zu sein: Freilich eilten sie, was erlaubt ist in Ehre zu
halten, durch Schändlichkeit zu missbrauchen. Aber die Lust der Schande, Kneipen
und übriger Lebensweise schritten nicht weniger einher: Die Männer benahmen sich
weiblich, die Ehefrauen boten ihre Schamhaftigkeit feil; der Ernährung wegen
erforschten sie alle Länder und Meere; sie schliefen bevor sie des Schlafes
begierig waren, sie warteten nicht Hunger oder Durst, weder Kälte noch Müdigkeit
ab, sondern nahmen dies in ihrem ganzen Luxus vorweg. Dies trieb die Jugend,
sobald das familiäre Vermögen schwand, zu Untaten an: Ein mit schlechten
Eigenschaften erfüllter Geist war nicht leicht frei von den Lüsten; umso
unmäßiger war er auf jede Weise dem Erwerb und dem Aufwand ergeben.
[14] In einer so beschaffenen und so verdorbenen Bürgerschaft hatte Catilina,
was sehr leicht zu tun war, Scharen aller Schandtäter und Verbrecher um sich wie
Begleiter. Denn jeder Un-züchtige, Ehebrecher und Schlemmer, der durch die Hand,
den Bauch und den Schwanz das gute Vaterland zerfleischt hatte, der große
Schulden ansammele, womit er Verbrechen und Untaten loskaufte, außerdem von
überall alle Familienmörder, Tempelräuber und vom Gericht überführte oder die,
die das Urteil für ihre Taten fürchteten, zu diesen die, die die Hand oder die
Zunge mit einem Meineid oder dem bürgerlichen Blut nährte, schließlich alle, die
eine Schandtat, Armut und ein selbstbewusster Geist aufscheuchte, diese waren
für Catilina die nächsten Vertrauten. Wenn nun jemand sogar von Schuld frei in
die Freundschaft dessen hineingeriet, wurde er durch täglichen Umgang und die
Lockungen den Übrigen gleich und ähnlich gemacht. Aber am meisten begehrte er
junge Männer als Vertraute: Die weichen und auch vergänglichen Gemüter derer
wurden nicht schwer mit List eingefangen. Denn wie der Eifer derer vom Alter her
loderte, bot er den einen Huren, den anderen kaufte er Hunde und Pferde,
schließlich schonte er weder Aufwand noch sein Maß, während jene ihm
verantwortlich und treu waren. Ich weiß, dass es einige gab, die es so glaubten,
dass die Jugendlichen, die Catilinas Haus regelmäßig besuchten, sich wenig
ehrenvoll und schamhaft verhielten; aber dies mehr aus anderen Dingen als das
jemandem dieses bekannt wird und diese Gerüchte stimmten.
[15] Schon im frühesten Jugendalter hatte Catilina schon viel unsägliche Schande
betrieben, mit einer edlen Jungfrau, mit einer Priesterin der Vesta und anderes
dieser Art gegen menschliches und göttliches Recht. Schließlich wurde er von der
Liebe der Aurelia Orestilla ergriffen, an der außer der Schönheit niemand etwas
Gutes lobte und weil diese zögerte jenen zu heiraten, da sie einen Stiefsohn im
erwachsenen Alter fürchtete, wird es für sicher gehalten, dass, nachdem der Sohn
getötet worden ist, er ein leeres Haus für die verbrecherische Hochzeit gemacht
hat. Diese Sache jedenfalls scheint mir besonders ein Grund gewesen zu sein, die
Untat zu beschleunigen; denn ein schmutziger Geist, den Göttern und Menschen
feindselig, kann weder durch Wachen noch durch Erholung beruhigt werden: So
verwüstet das Gewissen den aufgeregten Verstand. Also war der Lebensfaden
blutlos, die Augen waren hässlich, der Gang war bald schnell, bald langsam: Der
Wahnsinn war völlig im Gesicht und der Miene gewesen.
weiter...