Der Genitiv bezeichnet den Bereich, für den das Beziehungswort,
von dem der Genitiv abhängt, Geltung haben soll. Daher dient der Genitiv im
Satz auch hauptsächlich als Attribut.
Im Deutschen ist der Gebrauch des Genitivs im Laufe der Zeit immer mehr
eingeschränkt worden („ein Becher Weins” wird als eigenartig empfunden).
Dafür steht z.B.:
1. eine Menge Menschen
2. eine
Menschenmenge
multitudo hominum
3. eine große Zahl von Menschen
Das Attribut und Prädikatsnomen im Genitiv
Genitivus subjectivus und
objektivus
Bei einem Verbalnomen bezeichnet der von diesem abhängige Genitiv
1. den Urheber (die Ursache), also das Subjekt einer Handlung (Genitivus
subiektivus):
timor tyranni
die Furcht des Tyrannen = tyrannus timet secessio populi
der Aufstand des Volkes = populus secessit
2. das Ziel, also das Objekt, auf das sich die Handlung des
regierenden Verbalnomens richtet (Genitivus obiectivus): timor tyranni
die Furcht vor Bush =
Bushum timemus studium litterarum die Beschäftigung mit den
Wissenschaften = litteris studemus pacis desiderium die
Friedenssehnsucht = pacem
desideramus
als Genitivus subjektivus
als Genitivus objektivus
amor liberorum
odium proditorum
fuga hostium
die Liebe der Kinder
der Hass der Verräter
die Flucht der Feinde
die Liebe zu den Kindern
der Hass gegen Verräter
die Flucht vor den Feinden
Genitivus subjektivus und objektivus: Hannibalis odium Romanorum
Hannibals Hass gegen die Römer
Beim Pronomen:
amor noster unsere
Liebe = amamus amor nostri die Liebe zu
uns = amamur
Im heutigen Deutsch ist der Genitivus objektivus selten;
er wird hauptsächlich bei den Verbalnomen auf -ung gebraucht: Die Betreuung der
Kinderchen. Sonst ist der präpositionale Ausdruck (klingt gut) oder die
Zusammensetzung gewöhnlich.
Genitivus possessivus
bezeichnet den Besitzer; er findet sich in attributivem und prädikativen
Gebrauch bei esse und fieri :
attributiv
prädikativ
domus regis1)
das Haus des Königs, der Königspalast
domus regis est das Haus
gehört dem König
1) Auch: domus regia; domus est regia
Das Lateinische tut also unterscheiden: domus est patris
das Haus gehört dem Vater domus est patri
der Vadda hatn Haus
Mit Pronomen, guckst du hier:
domus mea
mein Haus domus mea est das
Häusle gehört mir mihi domus est I have
a house, wie der Franzose sagen würde
In einer besonderen Gebrauchsweise zeigt das Lateinische den Genitivus
possessivus in Abhängigkeit von einem unpersönlichen: est (videtur,
putatur):
consulis est
es ist Aufgabe, Pflicht des Konsuls; es gehört zu den Aufgaben des Konsuls
sapientis (sapientiae) est
es verrät den
Weisen
adulescentis est maiores natu vereri
es ist Pflicht eines jungen Menschen, ältere Leute
zu ehren
Mit Pronomen:
meum, tuum, eius est
es ist meine, deine, seine, ihre Pflicht
nostrum, vestrum, eorum (earum) est
es ist unsere, eure, ihre Pflicht
Genitivus partitivus
Er bezeichnet das Ganze, von dem ein Teil hervorgehoben wird.
Teil
Ganzes
1. parvus civium numerus
poculum vini
eine kleine Zahl
ein Becher
von Bürgern
Wein
2. duo milia hominum
primus omnium
zweitausend
der erste
Menschen
von allen
3. multum (aliquid) pecuniae
viel (etwas)
Geld
4. nihil novi
nichts
Neues
5. maximimus puerorum
maior vestrum
der größte
der größere
der Jungen
von euch
6. quis (nemo) nostrum?
wer (niemand)
von uns?
Der Genitivus partitivus steht also:
nach Ausdrücken der Menge, des Maßes, der Zahl,
nach Komparativen und Superlativen
nach bestimmten Pronomina
Genitivus qualitatis
Er bezeichnet eine Eigenschaft und hat immer ein Attribut bei sich;
hauptsächlich gibt er Zahlenangaben aller Art.
attributiv
prädikativ
puer decem annorum
ein 10jähriger Junge
puer decem annorum est
der Junge ist zehn Jahre alt
vir summae audaciae
ein Mann von großer Kühnheit
Quintus erat summae audaciae
Quintus war sehr kühn
classis ducentarum navium
eine Flotte von 200 Schiffen
classis ducentarium navium erat
die Flotte bestand aus 200 Schiffen
Genitivus pretii
ist dem Genitivus qualitatis verwandt.
Im Genitivus pretii stehen die allgemeinen Wortausdrücke magni, pluris, plurimi, parvi, minoris, minimi, tanti und quanti prädikativ bei
esse, fieri wert sein, gelten
aestimare, facere, ducere, putare schätzen.
Quanti
quisque se ipse facit,
Wie hoch ein jeder sich selbst einschätzt, tanti fit ab amicis.
so hoch wird er auch von seinen Freunden geschätzt.
Wichtig: tanti est
es ist der Mühe wert pro nihilo habere, putare, ducere für
nichts zu achten
Genitiv in Abhängigkeit...
a)
von Adjektiven
b) von Partizipien im Präsens Aktiv, die eine Eigenschaft bezeichnen.
I. Der Genitivus objectivus steht
a) bei Adjektiven:
cupidus contentionis streitsüchtig
studiosus litterarum wissensdurstig
avidus laudis
ruhmbegierig
peritus (imperitus) rei erfahren
(unerfahren) in der Schiffffffahrt
navalis
ignarus, inscius loci ortsunkundig
conscius coniurationis Mitwisser der
Verschwörung
insuetus laboris
an Arbeit nicht gewöhnt
memor culpae
schuldbewusst
immemor beneficii
ohne sich der Vergünstigung zu erinnern
particeps praedae
Teilhaber an die Beute
expers rationis
ohne Vernunft
potens regni
regierungsfähig
impotens irae
des Zorns nicht mächtig
plenus aequae
voll Wasser
inops auxilii
hilfsbedürftig
fertilis fructuum
reich an Früchten
similis patris
(-i)
dem Vater ähnlich
mei similis
mir ähnlich
verisimilis
wahrscheinlich
b) bei Partizipien: patriae amans
vaterlandsliebend
laboris fugiens
arbeitsscheu
veritatis diligens
wahrheitsliebend
frigoris patiens
gegen Kälte abgehärtet
II. Der Genitivus possessivus steht bei proprius iuventutis
der Jugend eigentümlich
sacer Apollinis
(-i)
dem Apollo heilig
communis hominum (-ibus) den
Menschen gemeinsam
Das Objekt im Genitiv
meminisse, reminisci (sich erinnern, gedenken) und oblivisci
(vergessen) haben als Personalobjekt den Genitiv, als Sachobjekt den
Akkusativ (oder Genitiv).
Beispiel? Gugn Sie hier:
Meminerimus maiorum nostrorum!!
Erinnern wir uns unserer Vorfahren! Nolite oblivisci nostri!
Vergesst uns nicht! Caesar nihil obliviscitur nisi iniurias.
Außer Beleidigungen vergisst Caesar nichts.
Aber: Admonui fratrem de
officio.
Ich habe (meinen) Bruder an (seine) Pflichten erinnert.
Jetzt wird es noch lustiger:
Bei den Verben der gerichtlichen Handlung steht
der
Angeklagte im
Akkusativ
das Verbrechen im
Genitiv (ab und an auch: de vi, de venificiis wegen Gewalttat, wegen
Giftmischerei)
die
Strafe
im Ablativ.
accusare, insimulare aliquem proditionis
des Verrats anklagen arguere aliquem avaritiae
des Geizes beschuldigen coarguere, convincere aliquem repetundarum der
Bestechlichkeit überführen damnare aliquem imlprobitatis
wegen Unredlichkeit verurteilen absolvere aliquem caedis
vom Morde freisprechen multare aliquem pecunia, exsilio, morte
mit Geldbuße, Verbannung, Tod bestrafen
aaaaaaaaaber:
capitis accusare
auf Tod und Leben anklagen capitis damnare
zum Tod verurteilen capitis absolvere
von der Todesstrafe freisprechen
Bei den unpersönlichen Ausdrücken der Empfindung steht
der Grunde der Empfindung im Genitiv, die empfindende Person im Akkusativ.
me piget stultitiae
ich ärgere mich über meine Dummheit me pudet audaciae ich schäme mich wegen
meiner Frechheit me paenitet.... me taedet.... me miseret....
Stultitiae meae me non solum puget, sed etiam putet. Über
meine Dummheit ärgere ich mich nicht nur, sondern ich schäme mich auch dafür.